Im Jahr 2024 haben die Ermittlungsbehörden so viele Verfahren wegen Menschenhandels und Ausbeutung abgeschlossen wie nie zuvor seit Beginn der Erfassung im Jahr 2000. Insgesamt wurden 576 Verfahren beendet – ein Plus von gut 13 Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Sexuelle Ausbeutung auf Höchststand

Einen deutlichen Schwerpunkt sieht das Bundeskriminalamt (BKA) im Bereich der sexuellen Ausbeutung. Mit 364 abgeschlossenen Verfahren wurde der höchste Stand der vergangenen zehn Jahre erreicht. Auffällig ist dabei die zunehmende Verlagerung in private Wohnungen. Da dieser Bereich schwer zu kontrollieren ist, gehen die Behörden von einem hohen Dunkelfeld aus. Die Folgen für die Opfer sind häufig gravierend.

Kontaktanbahnung über das Internet

Sowohl Tatverdächtige als auch Opfer stammen überwiegend aus dem europäischen Ausland. Auffällig ist der starke Anstieg bei chinesischen und kolumbianischen Opfern. Viele Betroffene sind Frauen und junge Menschen, darunter auch Minderjährige. Eine wesentliche Rolle spielt weiterhin die Kontaktaufnahme über das Internet. Häufig nutzen Täter emotionale Abhängigkeiten, beispielsweise über die sogenannte „Loverboy-Methode“. Dabei täuscht ein männlicher Täter eine Liebesbeziehung vor, um sein Opfer emotional zu binden und später zur Prostitution und finanziellen Ausbeutung zu zwingen. Gewalt – sowohl psychisch als auch physisch – tritt dabei zunehmend in den Vordergrund. Informationen hierzu hat das BKA in der Kampagne „Fake Love“ veröffentlicht: www.bka.de/FakeLove

Arbeitsausbeutung durch wirtschaftliche Notlagen

Auch im Bereich Arbeitsausbeutung wurde 2024 ein neuer Höchststand erreicht. Betroffen sind vor allem Zeitarbeitsfirmen, bei denen vielfach Menschen aus Osteuropa und Südostasien eingesetzt werden. Rund ein Drittel dieser Verfahren wurde von der beim Zoll angesiedelten Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) initiiert.

Da Menschenhandel und Ausbeutung meist durch Kontrollen aufgedeckt werden, spricht die Polizei von Kontrollkriminalität. Viele Opfer wenden sich nicht von sich aus an Behörden – aus Angst oder Unkenntnis ihrer Rechte. Entsprechend bleibt das Dunkelfeld hoch.

Minderjährige besonders schutzbedürftig

In mehr als 200 abgeschlossenen Verfahren wurden Kinder und Jugendliche als Opfer registriert, davon allein 195 Fälle im Zusammenhang mit kommerzieller sexueller Ausbeutung. Ein Grund für die steigenden Zahlen liegt in unzureichenden Schutzmechanismen vieler Online-Portale, die Ausbeutung über das Internet erleichtern. In zwei Fällen wurden Kinder sogar online zum Kauf angeboten.

Internationale Dimension und organisierte Kriminalität

Tatverdächtige sind häufig international vernetzt und teilweise in Strukturen der organisierten Kriminalität eingebunden. Die Zahl der Opfer aus Drittstaaten ist gestiegen. Daher kommt der internationalen Zusammenarbeit eine zentrale Rolle zu – ebenso wie der Vernetzung von Strafverfolgungsbehörden, Justiz, NGOs und Fachberatungsstellen.

Projekt THB LIBERI

Um diesen Herausforderungen zu begegnen, leitet das BKA seit 2018 das Projekt „THB LIBERI“. Ziel ist es, Menschenhandel und Ausbeutung zum Nachteil von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland und Europa nachhaltig zu bekämpfen. Das Projekt unterstützt Ermittlungen, Prävention und entwickelt neue Analyseansätze. Partner sind unter anderem Behörden in Österreich und der Schweiz sowie nationale Dienststellen. Mehr Informationen: www.bka.de/THBLiberi

Weitere Details finden sich im Bundeslagebild Menschenhandel und Ausbeutung 2024 unter www.bka.de.

(PM BKA, red [LW])