Das Posten und Teilen von privaten Fahndungsaufrufen ist in Deutschland aus mehreren rechtlichen und ethischen Gründen äußerst kritisch zu betrachten. Dennoch passiert es immer wieder, dass sich viel, die es nur gut meinen, strafbar machen.

1. Rechtswidrigkeit privater Fahndungsaufrufe

In Deutschland dürfen Fahndungsaufrufe grundsätzlich nur von Strafverfolgungsbehörden (z. B. Polizei, Staatsanwaltschaft) durchgeführt werden. Private Personen haben keine rechtliche Befugnis, selbstständig nach mutmaßlichen Tätern zu fahnden. Das Veröffentlichen von Bildern oder Daten von Verdächtigen im Internet kann als Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht und Datenschutzgesetze gewertet werden.

2. Unschuldsvermutung

In Deutschland gilt die Unschuldsvermutung (Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention). Das bedeutet, dass jeder Mensch bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung als unschuldig gilt. Private Fahndungsaufrufe im Internet können Personen zu Unrecht an den Pranger stellen, auch wenn sie möglicherweise unschuldig sind.

3. Gefährdung des Strafverfahrens

Private Fahndungsaufrufe können laufende polizeiliche Ermittlungen behindern oder gefährden. Wenn etwa Informationen oder Fotos über das Internet verbreitet werden, könnte das die Arbeit der Strafverfolgungsbehörden erschweren, indem Zeugen beeinflusst werden oder der mutmaßliche Täter gewarnt wird und flüchtet.

4. Selbstjustiz und Hetze

Private Fahndungsaufrufe fördern oft Selbstjustiz oder führen zu öffentlicher Hetze. Menschen, die zu Unrecht beschuldigt werden, können Ziel von Beleidigungen, Drohungen oder sogar körperlichen Angriffen werden. So etwas kann das Leben der Betroffenen massiv beeinträchtigen und ihre Sicherheit gefährden.

5. Verstöße gegen das Datenschutzrecht

Das Verbreiten von Bildern und Informationen über mutmaßliche Straftäter verstößt häufig gegen das deutsche Datenschutzrecht (DSGVO). Personenbezogene Daten dürfen nicht ohne rechtliche Grundlage veröffentlicht werden, was bei privaten Fahndungsaufrufen oft der Fall ist. Hier können Strafen und Schadenersatzforderungen von mehreren Tausen Euro auf einen jeden zukommen, die sich an solchen unberechtigten Aufrufen beteiligen.

6. Gefährdung Unbeteiligter

Falsche oder ungenaue Angaben in privaten Fahndungsaufrufen können dazu führen, dass Unbeteiligte, die zufällig der gesuchten Person ähneln, verdächtigt und öffentlich bloßgestellt werden. Dies kann zu erheblichen sozialen und beruflichen Konsequenzen führen.

Private Aufrufe bei vermissten Personen

Private Aufrufe zur Vermisstensuche sind in Deutschland weniger problematisch als private Fahndungsaufrufe, aber auch hier gibt es wichtige Aspekte, die kritisch betrachtet werden sollten. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass bei der Suche nach Vermissten keine strafrechtlichen Vorwürfe im Raum stehen, sodass die rechtlichen Hürden geringer sind. Dennoch sind auch bei der Vermisstensuche rechtliche und ethische Aspekte zu beachten:

1. Persönlichkeitsrecht und Datenschutz

Auch bei der Vermisstensuche müssen die Persönlichkeitsrechte und der Datenschutz beachtet werden. Das bedeutet, dass Bilder und personenbezogene Daten einer vermissten Person nicht ohne deren ausdrückliche oder mutmaßliche Zustimmung veröffentlicht werden dürfen, sofern keine Gefahr für ihr Leben oder ihre Gesundheit besteht.

Einwilligung: Wenn eine Person vermisst wird, muss sichergestellt werden, dass sie mit der Veröffentlichung ihrer Daten einverstanden wäre. Dies ist vor allem bei Erwachsenen relevant, die möglicherweise aus freien Stücken den Kontakt abgebrochen haben. Die Einwilligung des betroffenen ist in der Regel auch bei Jugendlichen ab 16 Jahren zwingend erforderlich.

2. Recht auf informationelle Selbstbestimmung

Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist sehr wichtig. Es kann vorkommen, dass eine Person aus eigenem Wunsch verschwinden möchte, ohne dass Dritte davon erfahren. In solchen Fällen kann das öffentliche Veröffentlichen eines Suchaufrufs einen ungewollten Eingriff in die Privatsphäre der Person darstellen.

3. Gefahr von Missverständnissen

Ein öffentlicher Suchaufruf kann zu Missverständnissen führen, wenn die vermisste Person nicht tatsächlich in Gefahr ist, sondern sich aus privaten Gründen zurückgezogen hat. Dies könnte den sozialen oder beruflichen Ruf der Person schädigen, wenn sie etwa öffentlich als vermisst gemeldet wird, obwohl sie lediglich anonym bleiben möchte.

4. Einschaltung der Polizei

Es ist in jedem Fall ratsam, die Polizei oder andere offizielle Stellen in die Vermisstensuche einzubeziehen. Die Behörden haben die nötigen Ressourcen und das Fachwissen, um die Vermisstensuche korrekt und effizient durchzuführen. Sie können außerdem sicherstellen, dass keine rechtlichen oder datenschutzrechtlichen Bedenken verletzt werden.

  • Öffentliche Fahndungen durch Behörden: Wenn es sich um eine vermisste Person handelt, die als gefährdet gilt, kann die Polizei eine öffentliche Fahndung veranlassen. Dies erfolgt in der Regel über offizielle Kanäle und unter Berücksichtigung aller rechtlichen Rahmenbedingungen. Diese Suchanfragen werden durch seriose Medien unterstützt.

5. Gefahren durch private Suchaufrufe

Auch wenn der Wille hinter einem privaten Suchaufruf gut gemeint ist, besteht die Gefahr, dass falsche Informationen verbreitet werden. Dies könnte dazu führen, dass falsche Hinweise eingehen, die Ermittlungen behindert oder die vermisste Person in unangenehme oder sogar gefährliche Situationen gebracht wird.

6. Soziale Medien und Virale Effekte

Private Aufrufe in sozialen Medien können sehr schnell viral gehen und eine große Reichweite erzielen. Dies kann in manchen Fällen hilfreich sein, birgt aber auch Risiken, etwa wenn die Suche übertrieben emotionalisiert wird oder ungenaue Informationen die Runde machen. Zudem bleibt der Aufruf häufig im Netz bestehen, auch wenn die Person längst gefunden wurde. Denn: Das Internet vergisst nichts!

Fazit

Das Posten und Teilen privater Fahndungsaufrufe ist in Deutschland daher kritisch zu betrachten, da es gegen rechtliche Grundlagen verstößt, die Unschuldsvermutung missachtet und erhebliche Risiken sowohl für Verdächtige als auch für unbeteiligte Dritte birgt. Stattdessen sollte man solche Fälle den zuständigen Behörden überlassen.

Private Aufrufe zur Vermisstensuche sind grundsätzlich weniger problematisch als Fahndungsaufrufe, solange sie mit Bedacht und unter Beachtung der Persönlichkeitsrechte erfolgen – was jedoch in den meisten Aufrufen nicht der Fall ist. Dennoch sollte im besten Fall immer die Polizei oder eine offizielle Organisation eingeschaltet werden, um sicherzustellen, dass die Suche professionell und im Einklang mit rechtlichen Bestimmungen abläuft.

Wir als seriöse Redaktion unterstützen nur offizielle Öffentlichkeitsfahndungen der Polizei.

Manchmal steckt hinter solchen Aktionen auch eine kommerziell motivierte Absicht. Webseitenbetreiber oder Social-Media-Nutzer könnten bewusst dramatische Vermisstensuchen oder Fahndungsaufrufe nutzen, um Traffic zu generieren und ihre Reichweite zu erhöhen, was in direktem Zusammenhang mit möglichen Werbeeinnahmen steht. Dies stellt eine ernsthafte Ausbeutung der Situation dar und ist ethisch bedenklich.

Um möglichst viel Aufmerksamkeit zu generieren, greifen solche Aufrufe oft auf emotional aufgeladene Darstellungen zurück, die nicht nur die Realität verzerren, sondern auch die Gefühle der Öffentlichkeit bewusst manipulieren. Menschen, die emotional betroffen sind, teilen Inhalte schneller und ungeprüft, was den Aufruf in kurzer Zeit viral machen kann – oft ohne Rücksicht auf die tatsächlichen Folgen für die Betroffenen oder deren Familien.

Wenn die Öffentlichkeit merkt, dass solche Aufrufe mehr dem persönlichen Nutzen als der eigentlichen Sache dienen, kann dies zu einem Vertrauensverlust führen. Dies ist besonders schädlich, da Menschen möglicherweise weniger bereit sind, zukünftige echte Aufrufe zu unterstützen oder zu teilen, weil sie skeptisch gegenüber den Absichten des Aufrufenden geworden sind.